07.10.2024
Deutsche Unternehmen stehen vor einer Reihe von breit gefächerten Herausforderungen: Sie sind international tätig und damit in globale Prozesse und Probleme eingebunden. Darüber hinaus gibt es Schwierigkeiten, die spezifisch für den europäischen und den deutschen Markt sind. In unserem Artikel beleuchten wir acht dieser Herausforderungen näher.
Bevor wir auf die Herausforderungen eingehen, werfen wir zunächst einen Blick auf die Unternehmen selbst.
Die deutsche Unternehmenslandschaft ist sehr homogen. Zwar gibt es vielversprechende Start-ups und einige der größten und bekanntesten Unternehmen der Welt wie BMW, Siemens oder SAP haben hier ihren Sitz. Allerdings gehören 99,4 Prozent der Unternehmen in Deutschland zum Mittelstand. Deutschland ist auch nach wie vor ein starkes Industrieland: Das verarbeitende Gewerbe, das vor allem durch die vier Branchen Automobil, Maschinenbau, Chemie und Elektroindustrie geprägt ist, hatte 2021 einen Anteil von 26,6 Prozent an der Bruttowertschöpfung. Dies entspricht einem Umsatz von 2.096 Milliarden Euro im Jahr 2020. Deutschland ist darüber hinaus ein Innovationstreiber. 2021 gab es 26.000 angemeldete Patente, womit Deutschland auf Platz 1 in Europa liegt. Zudem kommen 1.600 der weltweit 3.400 sogenannten Hidden Champions von hier.
Das sind beeindruckende Zahlen. Und doch ist der Blick in die Zukunft nicht gänzlich ungetrübt, denn die Unternehmen stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Einige davon ergeben sich aus dem sich ständig verändernden globalen Geschäftsumfeld, in dem auch deutsche Unternehmen agil agieren müssen. Andere sind spezifisch für Europa und Deutschland.
Betrachten wir jetzt die acht größten Herausforderungen, denen sich deutsche Unternehmen stellen müssen.
Deutschland ist das Land der Bürokratie. Das ist kein Klischee, sondern vom Nationalen Normenkontrollrat (NKR) offiziell bestätigt: 2023 gab es so viel bürokratischen Aufwand durch neue Gesetze wie noch nie. Zwar hat auch die Politik längst Handlungsbedarf erkannt und bereits das vierte Bürokratieentlastungsgesetz auf den Weg gebracht, allerdings sind in den letzten Jahren neue, weitreichende Gesetze hinzugekommen. So gilt beispielsweise das im Jahr 2023 verabschiedete Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ab 2024 auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Ebenso wird die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ab 2024 noch mehr Unternehmen betreffen.
Auch in Zukunft werden die Unternehmen also viel Zeit und Personal aufwenden müssen, um die umfangreichen internationalen, EU-weiten und deutschen Regelungen einzuhalten. Es bleibt abzuwarten, ob politische Initiativen hier schnell oder zumindest längerfristig Abhilfe schaffen.
Ohne Monopolstellung müssen Unternehmen mit ihren Wettbewerbern um die Gunst (und das Geld) ihrer Kundschaft konkurrieren. Das war schon immer so und wird sich für die meisten Unternehmen auch in Zukunft nicht ändern. Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung IfM aus dem Jahr 2019 sehen kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) jedoch aktuell große Herausforderungen durch eine deutliche Verschärfung des Wettbewerbs. Dazu tragen beispielsweise die schwache Konjunktur und damit einhergehende Auftragsrückgänge, der zunehmende Wettbewerbsdruck durch Großunternehmen und den Onlinehandel sowie sinkende Gewinne bei gleichzeitig steigenden Kosten bei.
Auch Untersuchungen der KfW ergaben einen erhöhten Wettbewerbsdruck auf den deutschen Mittelstand. Die meisten der befragten Unternehmen fühlen sich durch inländische Konkurrenten unter Druck gesetzt, gefolgt von Wettbewerbern aus Mittel- und Osteuropa. Die KMU gehen davon aus, dass sich dieser Trend weiter fortsetzen wird.
Die Einführung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat hohe Wellen geschlagen. Laut einer Umfrage von Bitkom ist für 77 Prozent der Unternehmen der mit der DSGVO verbundene Aufwand dauerhaft gestiegen. 30 Prozent halten sie für einen klaren Wettbewerbsnachteil auf dem internationalen Markt.
Die DSGVO ist keine Sache, die Unternehmen einmalig umsetzen können, sondern erfordert kontinuierliche Verbesserungsprozesse. Nur so können sie Datenschutzverletzungen – und die damit verbundenen hohen Bußgelder – vermeiden.
Auch durch den verstärkten Einsatz von KI werden Datenschutzfragen nicht so schnell aus dem Fokus rücken. Denn verarbeiten KI-Anwendungen personenbezogene Informationen, kommen Unternehmen schnell in Konflikt mit der DSGVO. Das dort verankerte Prinzip der Datenminimierung steht im Widerspruch zur Vorgehensweise der generativen KI, die viele Daten benötigt, um zu lernen. Außerdem dürfen personenbezogene Daten laut DSGVO nur für einen vorher bereits bestimmten Zweck verwendet werden – auch das widerspricht der Funktion von KI-Anwendungen.
Rohstoffe sind knapp und teuer. Der Krieg in der Ukraine hat beispielsweise die Preise für Strom und Gas in die Höhe getrieben, was nicht nur die Verbrauchenden, sondern auch die Unternehmen zu spüren bekommen: Im Jahr 2022 mussten deutsche Unternehmen deutlich mehr Geld für den Import von Rohstoffen ausgeben als je zuvor, was hauptsächlich an den hohen Preisen für Energie lag. Obwohl rund 14 Prozent weniger Rohstoffe importiert wurden, waren die Kosten dafür etwa um die Hälfte höher als noch 2021. Zudem stiegen die Preise für bestimmte von der Industrie benötigte Metalle wie Nickel, Aluminium, Zink, Kobalt und Lithium stark an.
Den Unternehmen bereitet das große Sorgen. Laut einer Studie von Inverto gehen 90 Prozent der Unternehmen davon aus, dass sich hohe Preise für Rohstoffe und Energie am stärksten auf ihre Gewinne auswirken werden. 81 Prozent nehmen an, dass die Preise für Rohstoffe auch in Zukunft stark oder mäßig anwachsen werden.
Zukunftstechnologien wie Elektromobilität oder Wasserstofftechnologie steigern den Bedarf an Metallen wie Lithium, Scandium, Platin oder Ruthenium bis 2040 zusätzlich noch einmal deutlich.
Der Fachkräftemangel ist eine Herausforderung für alle Branchen. Laut Statista sehen 56 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als großes Risiko für ihre Zukunft. Das bestätigt auch eine aktuelle ifo Konjunkturumfrage: Mitte 2022 hatten fast 50 Prozent der befragten Unternehmen mit einem Mangel an Fachkräften zu kämpfen. Am stärksten betroffen ist der Dienstleistungssektor, aber auch das verarbeitende Gewerbe hat große Schwierigkeiten, Personal zu finden. Im europäischen Vergleich ist die deutsche Industrie stärker als andere Länder betroffen.
Nachhaltigkeit wird immer wichtiger: 50 Prozent der deutschen Konsumierenden legen Wert darauf, dass Unternehmen nachhaltig handeln.
Entsprechende Vorgaben kommen aber auch aus der Politik, wie etwa die europäische CO2-Bepreisung. Diese Regelung verursacht allerdings höhere Energiekosten, was beispielsweise die deutschen Maschinenbauer aufgrund der EEG-Umlage nochmals deutlich stärker als ausländische Unternehmen spüren. Aber auch andere Branchen, die auf Produkte aus der Stahl- und Chemieindustrie angewiesen sind, haben dadurch mit steigenden Preisen zu kämpfen.
Die Unternehmen stehen also von allen Seiten unter kontinuierlichem Druck, nachhaltige Prozesse und Produkte einzuführen: Weniger Rohstoffverbrauch durch innovative Technologien und optimierte Prozesse steigert den Gewinn, umweltschonend hergestellte Produkte kommen bei der Kundschaft gut an.
Ransomware, Phishing, Malware, DDoS-Attacken, Brute-Force-Angriffe ... Die Liste der Cyberrisiken ist lang. Und Unternehmen bieten Kriminellen immer größere Angriffsflächen, was daran liegt, dass immer mehr Geräte zum Einsatz kommen – von vernetzten POS-Systemen über IoT-Geräte bis hin zu gewöhnlichen Mobilgeräten für Mitarbeitende. Kein Wunder, dass die Befragten des Allianz Risk Barometers 2024 angaben, dass sie sich am meisten um ihre Cybersicherheit sorgen. Und diese Bedenken sind berechtigt: Der Bericht zur Lage der IT-Sicherheit in Deutschland des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) für 2023 kommt zu dem Schluss, dass es noch nie so viele Bedrohungen gab wie heute. Ransomware stellt dabei die größte Gefahr für Unternehmen dar. Auch KMU sind davon immer stärker betroffen.
Digitalisierung ist längst kein bloßes Schlagwort mehr, sondern gelebte Realität in vielen Unternehmen, die die Vorteile längst erkannt haben. Denn die Digitalisierung bietet enorme Chancen: Sie hilft Unternehmen unter anderem dabei, Prozesse zu optimieren, durch neue Produkte und Dienstleistungen wettbewerbsfähig zu bleiben, Kosten zu senken und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Wer nicht mitzieht, läuft Gefahr, international den Anschluss zu verlieren.
Wie steht es also um die Digitalisierung in Deutschland? Der Digitalisierungsindex des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zeichnet ein nüchternes Bild: Für das Jahr 2023 lag der Index bei 108,6 Punkten, 2022 waren es noch 110,5 Punkte. Das BMWK spricht daher von einer Stagnation der Digitalisierung. Große Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten sind am stärksten digitalisiert.
Den höchsten Digitalisierungsgrad weist dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge die IKT-Branche auf, auch der Fahrzeug- und Maschinenbau und die Elektroindustrie sind auf einem ausgesprochen guten Weg. In Bereichen wie Verkehr und Logistik dagegen besteht noch erheblicher Verbesserungsbedarf.
Unternehmen sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Einige, wie etwa die deutsche Bürokratie oder der Fachkräftemangel, sind zwar altbekannt, erfordern aber trotzdem immer wieder neue Ansätze und Strategien. Dauerbrenner wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Datenschutz oder Cybersicherheit lassen sich ebenfalls nicht von heute auf morgen lösen, sondern sind komplexe Themen, die innovative Lösungen verlangen. Hinzu kommen brandaktuelle Schwierigkeiten wie hohe Rohstoffpreise und intensiverer Wettbewerb.
Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen deutsche Unternehmen strategisch denken, proaktiv handeln und offen für innovative Lösungsansätze sein. So kann jedes Problem auch zur Chance werden, neue Märkte zu erschließen und die eigene Wettbewerbsposition zu stärken.