01.09.2022
Eine Studie des Handelsblatts nimmt den aktuellen Stand der Industrie 4.0 in Europa unter die Lupe. 1.452 Unternehmen aller Größen geben Einblicke in ihren Status quo, Herausforderungen, Impulsgeber, Zukunftsaussichten und mehr. Lesen Sie weiter und finden Sie heraus, wie Ihr Unternehmen abschneidet [von Matt Bulow ].
Digitale Technologien bieten Herstellern zahlreiche Vorteile. Für Lieferanten wird es deswegen immer wichtiger, sich mit vernetzten Systemen und Prozessen verbinden zu können. Wie sieht die Produktion in der Praxis unter dem Einfluss dieser Vielzahl an Technologien aus, die wir Industrie 4.0 nennen?
Viele Unternehmen sind bei ihrer digitalen Transformation noch nicht so weit, wie sie sein wollen. Das Handelsblatt hat zufällig ausgewählte Entscheider und Entscheiderinnen in europäischen Unternehmen nach ihren Fortschritten und Plänen gefragt.
Das Konzept der Industrie 4.0 kam vor rund zehn Jahren auf. Seitdem haben unzählige Unternehmen mit intelligenten Fertigungstechnologien ihre Produktivität gesteigert und Kosten gesenkt. Für Europa zeigt die Studie jedoch ein differenzierteres Bild.
Was sie zurückhält, ist eine Kombination aus Kostenerwägungen, Sicherheitsbedenken, mangelnden internen Ressourcen und fehlender Motivation.
Häufig kommt es zu Problemen bei der Kompatibilität, denn smarte Produktionsstätten werden nicht immer komplett neu aufgebaut. Oft rüsten Hersteller bestehende Fabriken, Systeme und Anlagen mit digitalen Technologien nach.
Die Entwicklung hin zu Industrie 4.0 ist strategisch relevant für Unternehmen – das wird daran deutlich, dass meistens Top-Führungskräfte die endgültige Entscheidung bezüglich der Investitionen in die Digitalisierung treffen.
Die Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen erkennen durchweg den Wert des digitalen Wandels. Darunter sind vordergründig diejenigen, die in Unternehmen arbeiten, in denen bereits große Fortschritte erzielt wurden.
Die Vorteile, welche die Befragten sehen, zeigen sich in unterschiedlichen Aspekten der Produktion. Über 70 Prozent halten die folgenden für (ziemlich) wichtig:
Das Industrielle Internet der Dinge (IIoT) bezeichnet das digitale Netzwerk aus physischen Objekten und digitalen Systemen im Produktionsprozess. Sensoren in Geräten und Maschinen sammeln Betriebsdaten, die Unternehmen überwachen und analysieren.
Von den untersuchten europäischen Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden nutzen 85 Prozent eine oder mehrere IoT-Plattformen. Bei kleineren Unternehmen liegt diese Zahl bei 40 Prozent. Die meisten nutzen Programme externer Anbieter. Deutlich weniger entscheiden sich dafür, eigene Lösungen zu entwickeln.
Trotz des weitverbreiteten Einsatzes von IoT-Plattformen geben nicht einmal 30 Prozent der befragten europäischen Hersteller an, bereits „vernetzte und miteinander kommunizierende Maschinen oder Geräte“ im Einsatz zu haben.
Das ist eine große Chance sowohl für Anbieter von IIoT-Geräten als auch für das produzierende Gewerbe im Allgemeinen: Die Hersteller, die ihre Produktionsanlagen als Erstes vollständig vernetzen, können dadurch einen Wettbewerbsvorteil erzielen.
Zu den relevantesten Zukunftstechnologien gehören die folgenden, die alle zudem häufig bereits in den Unternehmen umgesetzt wurden:
Blockchain, Chatbots und Wearables spielen eine untergeordnete Rolle. Smart Glasses stuften die Unternehmen ebenfalls als weniger wichtig ein, während sie Augmented Reality, Mixed Reality und Virtual Reality erhebliche Bedeutung zumaßen. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Anwendungsmöglichkeiten für Smart Glasses mit Augmented-Reality-Technologie noch nicht hinreichend bekannt sind. Mitarbeitenden in Kommissionierung, Montage, Wartung und Support bringt ihr Einsatz jedoch zahlreiche Vorteile.
Additive Fertigung, autonome mobile Roboter, Künstliche Intelligenz und Big Data bergen kurz- und mittelfristig ein enormes Potenzial. Viele Unternehmen möchten Technologien dieser Art in den nächsten ein bis zwei Jahren einführen.
Zahlreiche Unternehmen planen außerdem autonomes Fahren, intelligente Container, Sprach- und Zeichenerkennung, kollaborative Roboter und Augmented, Mixed oder Virtual Reality zu implementieren – allerdings ohne konkrete Zeitpläne. Daher wird der Markt für diese Technologien wohl mittel- bis langfristig wachsen.
AR erweitert die analoge Realität. Der Nutzer nimmt weiterhin seine echte Umgebung wahr, aber zusätzlich werden virtuelle Objekte oder Informationen in seinem Sichtfeld digital eingeblendet, z. B. auf den Bildschirmen von Smartphones oder Wearables wie Smart Glasses. Mixed Reality ist prinzipiell ähnlich, umfasst jedoch auch feste 3-D-Objekte. So wird es etwa möglich, eine Haftnotiz an einem physischen Objekt anzubringen oder neue virtuelle Objekte in das Sichtfeld einzufügen. Virtuelle Realität schafft eine vollständig simulierte neue Umgebung.
Über 70 Prozent der europäischen Unternehmen gehen davon aus, dass es für Augmented Reality in der Produktion mögliche Einsatzszenarien gibt. Allerdings haben bisher weniger als ein Viertel von ihnen AR-, VR- oder MR-Anwendungen hier eingeführt. Als wichtigste Anwendungsbereiche nannten die Befragten:
Die Diskrepanz zwischen der gegenwärtigen und zukünftig erwarteten Nutzung von AR kann unterschiedliche Gründe haben: Vielleicht sind nicht alle Unternehmen davon überzeugt, dass der Einsatz ihnen Vorteile bringt – sie denken eher nicht, dass die zusätzlichen Einnahmen die Kosten wieder wettmachen. Je größer ein Unternehmen ist, desto höher schätzt es den Wert von AR-Technologien für sich ein. Diese Firmen verwenden AR auch insgesamt häufiger. Das legt nahe, dass ein Unternehmen, dass bereits mit dieser Technologie in Berührung kam, die Vorteile einer solchen Investition eher sieht.
Auch wenn viele Unternehmen ihre Produktion bereits digitalisiert haben, herrscht weiterhin ein heterogenes Bild vor: Es gibt in Europa mehr Unternehmen, die Potenzial für die Schlüsseltechnologien der Industrie 4.0 sehen, als Hersteller, die sie in der Fertigung einsetzen.
Die Handelsblatt-Studie beantwortet wichtige Fragen dazu, wie es zum momentanen Status quo bei der Umsetzung von Industrie 4.0 kam und wie es in Zukunft weitergeht.
Die Gründe für die fehlende Akzeptanz in der breiten Masse sind im Kern Fragen der Rentabilität und der verfügbaren Ressourcen. Unternehmen, denen es an Mitteln oder Personal zur Umsetzung der Digitalisierung mangelt, kommen langsamer voran. In einigen Fällen sind sich Unternehmen nicht völlig bewusst, was Industrie 4.0 für sie bedeuten kann.
Noch ist es möglich, den digitalen Wandel bei Fertigungsprozessen aufzuschieben. Völlig entziehen kann sich diesem Prozess jedoch keiner, der auch zukünftig noch wettbewerbsfähig bleiben möchte. Industrie 4.0 prägt bereits ganze Wertschöpfungsketten in der Produktion – diese Tatsache allein bewegt schon viele Unternehmen in diese Richtung.
In der Praxis bedeutet das für Unternehmen, die ihre Fertigung nicht digitalisieren: Als Zulieferer werden sie möglicherweise nicht mehr Teil der Wertschöpfungskette sein, da die anderen Partner sie nicht mehr in ihre vernetzten Prozesse integrieren können.
Größere Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden sehen tendenziell mehr Einsatzmöglichkeiten für IoT, AR und KI. Viele dieser Hersteller arbeiten mithilfe dieser Technologien bereits produktiver und effizienter – bei gleichzeitig sinkenden Kosten. Das Mehr an Erfahrung wiederum führt dazu, dass sie auch ein größeres Wertschöpfungspotenzial für die Industrie 4.0 sehen.
Die Arbeit in der Fertigung entwickelt sich insgesamt weiter. Rund 77 Prozent der Unternehmen rechnen damit, dass aufgrund der Digitalisierung IT-Fähigkeiten und Soft Skills auch für die Belegschaft in der Produktion wichtiger werden.
Mitarbeitende werden zunehmend Hand in Hand mit Maschinen und Robotern agieren. Vermutlich werden Menschen zukünftig Produktionsprozesse weniger selbst erledigen, sondern verstärkt steuern und überwachen.
Ein Fünftel der befragten Unternehmen in Europa gab eine klare und flexible Preisgestaltung als wichtigstes Qualitätsmerkmal bei der Auswahl eines Anbieters an. Zudem sehen sie Kriterien wie Sicherheit und die Bereitstellung von Beratung, Unterstützung und professionellen Dienstleistungen als außerordentlich wichtig an.
KI-gesteuerte Anlagen eröffnen neue Möglichkeiten, Produktionsprozesse zu gestalten. Die KI reagiert selbstständig und steuert die Abläufe intuitiv. Somit müssen Menschen nicht mehr so häufig eingreifen. Durch die Kombination von strukturierten Maschinendaten mit unstrukturierten Daten wie Bildern, Videos und Tönen lassen sich Muster und Wechselbeziehungen erkennen.
73 Prozent der Unternehmen stimmen zu, dass künstliche Intelligenz in der Produktion Potenzial hat. Und während nur etwas mehr als 20 Prozent KI bereits in ihrer Fertigung einsetzen, planen mehr als 40 Prozent, dies in den nächsten ein bis zwei Jahren zu tun. Unternehmen, die konkrete Anwendungen für künstliche Intelligenz sehen, nennen insbesondere folgende Einsatzbereiche:
Rund zwei Drittel der Befragten bevorzugen die Speicherung der Daten, die KI- und Machine-Learning-Tools nutzen, in der Cloud.
Der Markt für die breite Palette digitaler Fertigungstechnologien, die wir Industrie 4.0 nennen, wächst unaufhaltsam weiter. Während diese Entwicklung weiter an Dynamik gewinnt, ist die Frage weniger „ob“, sondern viel mehr „wie schnell“ sie umgesetzt wird. Denn nur durch digitale Technologien lassen sich kostengünstige und nachhaltige Produktionsprozesse schaffen, die perfekt auf die Anforderungen der Kunden von morgen ausgerichtet sind.
Die Studie enthält zudem mehrere Praxisbeispiele europäischer Unternehmen, welche bereits Industrie-4.0-Ansätze verfolgen. Wie stehen Sie und Ihr Unternehmen zu den einzelnen Technologien? Denken Sie anders als ähnliche Unternehmen Ihrer Größe?
Um das herauszufinden, nehmen Sie die Studie unbedingt genauer unter die Lupe. Es lohnt sich: So erfahren Sie zudem, welche Trends für das verarbeitende Gewerbe sich heute schon abzeichnen.
Wie digitale Technologien die Produktionsprozesse in Unternehmen verändern – ein Bericht des Handelsblatt Research Institutes in Kooperation mit TeamViewer.