13.12.2022
Eine Umfrage des Handelsblatt Research Institutes unter 5.278 Beschäftigten und 3.654 Führungskräften europäischer Unternehmen zum Thema Zukunft der Arbeit dokumentiert eine unerwartete Kluft. Die Ergebnisse zeigen, dass in den zehn untersuchten Ländern stark kontrastierende Ansichten zu Technologien und Trends, welche den zukünftigen Arbeitsmarkt prägen werden, vorherrschen. [Von Matt Bulow]
Das Handelsblatt Research Institute befragte Angestellte und Führungskräfte in zehn Ländern zu ihrer Meinung über Technologien und die Zukunft des Arbeitens. Überraschenderweise befinden sich einige der mächtigsten Marktwirtschaften Europas nicht unter den starken Befürwortern von Technologie am Arbeitsplatz.
Wir haben für Sie die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammengefasst: Erfahren Sie mehr über die Ansichten und Annahmen europäischer Länder zu digitalen Kommunikationsplattformen, künstlicher Intelligenz, Augmented Reality, Cybersicherheit und vielem mehr.
Mehr als zwei Drittel der Angestellten in allen zehn Ländern sind überzeugt, dass Cybersicherheit ihre Arbeit zukünftig beeinflussen wird. Digitale Plattformen sowie digitale Kommunikations- und Kollaborationssoftware folgen dicht dahinter mit 63 bzw. 60 Prozent. Beschäftigte messen den folgenden Technologien weniger Bedeutung bei:
Wenig überraschend ist, dass Büroangestellte Technologie insgesamt als relevanter für die Arbeit der Zukunft einschätzen als Beschäftigte, die nicht in einem Büro arbeiten.
Wenn Sie in einem der zehn befragten Länder leben (Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Polen, Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich), werden Sie von den Resultaten Ihres Landes vermutlich nicht überrascht sein.
Andernfalls könnten Sie davon ausgehen, dass die größten Marktwirtschaften Europas auch die höchsten Erwartungen in die Digitalisierung des Arbeitsplatzes setzen. Dem ist allerdings nicht so. Italien, Polen und Spanien messen dem Einfluss kommender Technologien die größte Bedeutung bei. Angestellte in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden halten digitale Technologien für nur unterdurchschnittlich relevant für ihr zukünftiges Berufsleben. Deutschland liegt sowohl beim aktuellen Einsatz innovativer Technologien in den Unternehmen als auch bei der Offenheit der Beschäftigten für diese Technologien in ihrem eigenen Beruf unter dem Durchschnitt.
Gefragt nach der aktuellen Situation, berichteten Führungskräfte von außergewöhnlichen Fortschritten bei den folgenden Technologien:
Viele dieser Unternehmen planen dagegen nicht, in absehbarer Zeit autonome Fahrzeuge, autonome Roboter oder additive Fertigung einzusetzen. Bei den Unternehmen, die bereits Zukunftstechnologien verwenden, handelt es sich meist um große Firmen. Das deutet darauf hin, dass es von ausreichenden finanziellen Ressourcen abhängt, ob sie eingeführt werden. Kleinere Unternehmen hingegen lehnen neue Technologien wie Blockchain häufig ab.
Die Studie zeigt, dass Beschäftigte in ganz Europa sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien sind, die sich für ihre eigene Arbeit als nützlich erweisen könnten. Eine Mehrheit behauptet jedoch auch, dass neue Technologie keine spürbaren Auswirkungen auf ihre Arbeit haben werden. Sie gehen davon aus, dass es nicht möglich ist, ihre Arbeit zu automatisieren. Dies gilt mehr für Nicht-Büroangestellte (56 Prozent) als für Büroangestellte (48 Prozent). Mitarbeitende im Vereinigten Königreich und in Deutschland sind davon besonders überzeugt. Beschäftigte im Industriesektor gehen noch eher davon aus, dass Technologien ihre Arbeit beeinflussen könnten. Viele nehmen jedoch an, dass es an der Umsetzung scheitern wird.
Ihre Vorgesetzten denken jedoch anders darüber: Führungskräfte erkennen das Potenzial neuer Technologien, wenn es darum geht, Aufgaben auszuführen, die heute von Menschen erledigt werden.
Die meisten Führungskräfte erwarten, dass Technologie ihre Mitarbeitenden von zeitaufwendigen Routinearbeiten befreien wird, damit sich diese auf andere Dinge (68 %) oder kritischere Arbeiten (65 %) konzentrieren können. Sie sind sich jedoch bewusster als Angestellte, dass die Digitalisierung auch zum Verlust von Arbeitsplätzen führen kann. Nahezu die Hälfte von ihnen erwartet, dass neue Technologien die meisten Aufgaben übernehmen werden, die derzeit von Menschen ausgeführt werden.
Mit Blick auf die geschäftlichen Vorteile sind sich die Führungskräfte im Wesentlichen einig, was die vier größten Vorteile digitaler Technologien angeht:
Der technologische Fortschritt wird die Anforderungen an Angestellte und Bewerberinnen und Bewerber zukünftig drastisch verändern. Dass es zusätzlicher Schulung bedarf, sehen Führungskräfte als größte Hürde bei der Akzeptanz digitaler Technologien. Dicht gefolgt von Datenschutzerwägungen und einer möglichen Ablehnung durch Teile der Belegschaft.
Unternehmen und Angestellte sind sich hier einig: Auch der Großteil der Mitarbeitenden sieht im Bedarf an zusätzlichen Schulungen eine enorme Herausforderung. Erfreulicherweise sind fast 50 Prozent aller Beschäftigten und Führungskräfte bereit zu akzeptieren, dass in Zukunft neue Qualifikationen gebraucht werden.
Für die folgenden Fähigkeiten sehen beide Gruppen eine gestiegene Notwendigkeit:
Nur ein Fünftel (19 Prozent) aller Unternehmen geht davon aus, diesen zukünftigen Bedarf durch neue Mitarbeitende decken zu können. Der größte Teil (51 Prozent) gab an, dass sie ihre derzeitigen Angestellten dementsprechend schulen werden. Die Beschäftigten sind sich bewusst, wie wichtig diese zusätzlichen Schulungen sind und erklären sich auch dazu bereit. Die Führungsebene dieser Unternehmen erwartet, dass die Investitionen in Schulungen entweder auf dem derzeitigen Niveau bleiben oder steigen.
Sowohl Unternehmen als auch Angestellte erwarten, dass die Zukunft der Arbeit hybrid ist, also Remote Work und Arbeiten vor Ort beinhaltet. Beide Gruppen erkennen jedoch auch an, dass sich nicht alle Prozesse remote umsetzen lassen.
Die Bereitschaft für Innovationen korreliert mit der Akzeptanz von Remote Work. 33 Prozent aller Unternehmen, die Innovation begrüßen, erwarten, dass Arbeiten aus der Ferne über kurz oder lang die Norm sein wird. Diese Ansicht wird dagegen nur von 13 Prozent aller nicht innovationsbereiten Unternehmen geteilt.
Während die Einstellung zu Remote Work unter Angestellten zwar breit gefächert ist, würde die Mehrheit der Beschäftigten (37 Prozent) gerne zwei oder drei Tage pro Woche remote arbeiten. Diese Präferenz ist in Spanien und im Vereinigten Königreich besonders ausgeprägt. In beiden Ländern bevorzugen 41 Prozent aller Befragten diese Option.
Die zweitstärkste Fraktion (22 Prozent) zieht es vor, gelegentlich nicht im Büro zu arbeiten. Nur 17 Prozent aller Beschäftigten würden am liebsten gar nicht mehr am Unternehmensstandort arbeiten. Auch das zeigt sich am deutlichsten im Vereinigten Königreich (29 Prozent) und in Spanien (25 Prozent).
Nur 15 Prozent der europäischen Werktätigen würden es begrüßen, nach der COVID-19-Pandemie vollständig ins Büro zurückkehren zu dürfen. An der Spitze stehen hier Dänemark (19 Prozent) sowie Deutschland und Italien (beide 18 Prozent). Nur ein sehr kleiner Anteil (4 Prozent) lehnt Remote Work prinzipiell ab.
Die Lockdowns zwangen Unternehmen dazu, Remote Work möglichst schnell zu ermöglichen. Inzwischen wird aber über die anfänglichen Ad-hoc-Lösungen hinaus erheblich in Remote-Arbeitsplätze investiert. Am meisten wenden Unternehmen dafür auf, häusliche Arbeitszimmer auszustatten, danach folgen Geräte, IT-Infrastruktur, Software und IT-Sicherheit.
Arbeitgebende und Beschäftigte sind sich zwar über die Vorteile von Remote Work einig, betonen aber unterschiedliche Aspekte.
Für Angestellte sind die folgenden Vorteile am wichtigsten:
Führungskräfte sehen insbesondere die folgenden Vorteile:
Auch bei den Nachteilen sind sich beide Gruppen einig: Das größte Minus ist der fehlende tägliche Kontakt zu anderen Teammitgliedern.
Wenige Führungskräfte sind nach wie vor der Meinung, dass ihre Angestellten zu Hause weniger arbeiten. Während der Pandemie erwies sich diese Behauptung jedoch als Vorurteil. Die meisten Führungskräfte geben an, dass der größte Teil der Arbeit während der Lockdowns genauso gut erledigt wurde.
Aus der Studie des Handelsblatts lassen sich Rückschlüsse ziehen, die – sofern korrekt – eine erhebliche Bedeutung für die Zukunft der Arbeit und der Weltwirtschaft haben.
Einerseits deuten die Umfrageergebnisse darauf hin, dass Personen mit Entscheidungsbefugnis in Unternehmen davon überzeugt sind, dass neue Technologien große Auswirkungen auf bestehende Jobs haben werden. Dennoch erwartet die Mehrheit der Beschäftigten in Europa nicht, dass diese Technologien ihren Arbeitsalltag verändern werden. Möglicherweise sind sich viele Arbeitnehmende dieser Auswirkungen einfach noch nicht bewusst. Sowohl Angestellte als auch Führungskräfte sind eher über Technologien informiert, die bereits eine breite Marktdurchdringung erreicht haben.
Auf höheren Führungsebenen wird Digitalisierung aktiver gefördert, was einen Top-down-Veränderungsprozess wahrscheinlicher macht. Eine erfolgreiche Digitalisierung setzt allerdings voraus, dass die Mitarbeitenden miteinbezogen werden – dies wird angesichts des derzeitigen Unterschieds beim Wissen über neue Technologien zukünftig noch entscheidender sein.
Die Ursache für die regionalen Differenzen in Europa bei der Akzeptanz innovativer Technologien ist ein vielleicht überraschender, aber interessanter Aspekt der Studie, der weitere Untersuchungen wert ist. Beurteilen höher entwickelte Marktwirtschaften die künftige Rolle von Technologie möglicherweise weniger optimistisch, einfach weil die Menschen in ihrem Alltag öfters damit in Berührung kommen und deshalb an moderne Technologien gewöhnt sind? Oder reflektieren diese Ergebnisse eine konservativere Einstellung?
Laden Sie den vollständigen Bericht herunter und ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse.
Auf mehr als 50 Seiten erfahren Sie, wie Führungskräfte und Angestellte in 10 europäischen Ländern zukünftige Technologien und digitale Trends und deren Einfluss auf die Arbeit von Morgen wahrnehmen.